Golf und Wirbelsäule

Informationen für Golfer mit Rückenschmerzen.

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Golf und Wirbelsäule.
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Für Mediziner und Wissenschaftler finden sich Angaben aus der Literatur mit einem Verzeichnis der Originalarbeiten, Dissertationen und Buchbeiträge zum Thema „Golf und Wirbelsäule“.

Golf und Wirbelsäule

Die allgemeine Behauptung, Golf sei wirbelsäulenschädlich, trifft nur für bestimmte Wirbelsäulenleiden und Altersgruppen zu.
Nur im mittleren Lebensabschnitt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr bestehen Bedenken wegen der bandscheibenbelastenden Haltungen und Bewegungsabläufe bei relativer Bewegungsarmut. Ausgleichsport und Gymnastik sind unverzichtbar. Wer Golf spielt sollte auch Sport treiben. Im Alter nach dem 60. Lebensjahr verfestigen sich die Bandscheiben und sind nicht mehr so anfällig. Dann ist Golf eher vorteilhaft für die Wirbelsäule. Die typische Golfhaltung erweitert den Wirbelkanal bei der altersbedingten Spinalkanalstenose. Bewegung im Gelände fördert die Mineralisierung des Skelettsystems bei Osteoporose. In Sondersituationen sind Rumpforthesen beim Golfspiel hilfreich.

Expertenumfrage zum Thema Bandscheibenschäden und Sport
Wir führten eine Expertenumfrage durch (M. Warnecke in: Krämer et al 2005) mit der Fragestellung: Welche Sportarten halten Sie für bandscheibenfreundlich oder eher schädlich? Sportorthopäden, die über besondere Erfahrungen in der Betreuung von Leistungs- und Breitensportlern hatten, sollten eine Gesamtbeurteilung zu den gängigen Sportarten abgeben und dabei nur die üblichen sportspezifischen Ausübungen im Breitensport berücksichtigen. Pro Sportart war nur eine Aussage zu treffen:

  • bandscheibenfreundlich
  • gering bandscheibenschädlich
  • mittelgradig bandscheibenschädlich
  • sehr bandscheibenschädlich

Erwartungsgemäß wurden Laufen, Schwimmen, Skilanglauf als bandscheibenfreundlich eingeschätzt. Im Mittelfeld lag die Gruppe der Mannschaftssportarten. Golf schnitt insgesamt schlecht ab mit annähernd gleichen Eintragungen unter gering, mittel und sehr bandscheibenschädlich.

Eine Begründung liegt in den typischen Haltungen und Bewegungsabläufen beim Golfspiel mit:

  • Rundrücken
  • Hohlkreuz
  • Torsionsbewegung

die sich ungünstig auf die Bandscheiben auswirken.

Rundruecken Hohlkreuz

Die Rumpfdrehung geht wechselseitig auf annähernd 45°. Im kurzen Spiel besteht eine anhaltende Rundrückenbildung. Die Aufschwungphase von langen Schlägen endet mit einer deutlichen Hyperlordose der LWS.

Die andere Begründung für schlechte Umfrageergebnisse sind die Literaturangaben über Rückenprobleme bei Golfspielern. Nach offiziellen Erhebungen der Orthinform (2004) gehen mehr als die Hälfte der Golfer bereits mit Rückenproblemen auf den Platz. Bei 8 von 10 Spielern verstärken sich die Rückenschmerzen durch regelmäßiges Spielen. Bei den Untersuchungen von Sugeya (1998) klagten 55% der professionellen Golfspieler über signifikante Rückenschmerzen. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Nicht-Golfern zeigten sich signifikant mehr degenerative Veränderungen der Bandscheiben und der Wirbelgelenke im unteren LWS-Abschnitt. Auch die übrigen Publikationen zum Thema Golf und Wirbelsäule weisen auf eine vermehrte Belastung mit entsprechenden degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule hin:

- Batt 1993
- Pink 1993
- Hosea 1996
- Wirth 1999
- Boldt 2002
- Herwegen 2004
- Krämer 2005
- Gluck 2008
- Cofe 2008
- Finnegan 2009

Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der GesamtbevölkerungRückenschmerzen ohnehin sehr häufig sind. Nach Raspe und Kohlmann beträgt die Punktprävalenz (Rückenschmerz heute) 35% und die Jahresprävalenz (Rückenschmerz im letzten Jahr) 60%.

 

Prävention und Rückenschmerzen beim Golf

Es wird immer wieder versucht, durch spezielle Techniken beim Golfspiel das Risiko von Rückenproblemen zu vermindern (Hosea 1996, Lindsay 2002). Die Akzeptanz solcher Maßnahmen ist jedoch gering, da sie zwangsläufig mit einer Beeinträchtigung der optimalen Schlagtechnik einhergehen. Gleiches gilt für Speedgolf, bei dem man zwischen den Löchern joggt.

Selbst wenn man am eigentlichen Golfspiel nur wenig ändern kann, gibt es Möglichkeiten sich im Umfeld rückengerecht zu verhalten. Beim Transport der Golftaschen und beim Ballaufheben lassen sich rückenschonende Trage- und Hebetechniken anwenden.

Golfballaufheben
Golftasche Transport

Das wichtigste ist jedoch beim Golf eine Ausgleichgymnastik zur Kräftigung der Rumpfmuskeln und vor allemweitere sportliche Betätigung.

Herwegen et al (2004) stellten fest, dass Golfspieler ohne Rückenschmerzen eine stärkere Bauch- und Rückenmuskulatur besitzen als Golfspieler mit Rückenschmerzen. Dies bestätigt die Ergebnisse aus der Biomechanik, dass im muskulär stabilisierten Bewegungssegment der Wirbelsäule Verlagerungen von Bandscheibengewebe und Verschiebungen der Wirbelgelenke weniger leicht möglich sind als bei untrainierten Muskeln und Bändern.

Wie erreicht man eine stabile Rumpf- und proximale Extremitätenmuskulatur?

  1. Mit gezielten Kräftigungsübungen, am besten zunächst unter Anleitung, stabilisiert man die Rumpfmuskeln. Dabei kommt es vor allem auf ein spezielles Training der schrägen Bauchmuskulatur (M. transversus abdominis) sowie der tiefen wirbelsäuennahen Muskeln an (Gluck et al 2008). Hinzu kommt ein Konditions- und Koordinationstraining.
  2. Golf Physiotherapie
  3. Zum Golf gehört auch ein Ausgleichssport. Da das Golfspiel viel Zeit in Anspruch nimmt, kommen in erster Linie bewegungsintensive Geradeaussportarten wie Laufen und Schwimmen in Frage.
  4. Golf Ausgleichsport

Unsere telemetrischen Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Laufen Rückenstrecker Iliopsoas und Bauchmuskeln gleichermaßen trainiertwerden. Diese Empfehlungen gelten insbesondere für den mittleren Lebensabschnitt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr, wo bandscheibenbedingte Erkrankungen wie Lumbago, Ischias am häufigsten auftreten. Im weiteren Verlauf, d. h. nach dem 60. Lebensjahr lässt die Bedrohung durch die Bandscheiben nach, weil diese allmählich austrocknen und fester werden. Dafür treten im Alter andere Wirbelsäulenprobleme auf, bei denen dem Golfspiel eher eine positive Bedeutung zukommt. Es sind dies die Osteoporose bzw. die Altersosteopenie und die Spinalkanalstenose.

Golf Osteoporose

“Golf ist eine geeignete Sportart bei Osteoporose und Spinalkanalstenose.”
J. Krämer, A. Wilcke, R. Krämer Wirbelsäule und Sport Dtsch. Ärzteverlag, Köln 2005

Osteoporose

Unter Osteoporose versteht man einen Verlust an Knochenmasse. Der Knochen wird anfällig für Frakturen. Nach dem 30.-35. Lebensjahr, wenn der Knochendichtehöchstwert (Peak Bone Mass) überschritten ist, setzt der Vorgang der Knochenalterung ein mit einem langsamen aber stetigen Verlust an Knochensubstanz, den man Altersosteopenie nennt. Diese ist noch symptomlos. Die Grenze zur klinischen Manifestation zur Osteoporose mit Rückenschmerzen und Frakturen kann aber leicht unterschritten werden. Durch tägliche Gymnastik, Bewegung jeder Art sowie durch kalzium- eiweiß- und vitaminreiche Kost lässt sich die Altersosteopenie aufhalten und ggf. umkehren. Kurzzeitige mechanische Belastungen des Skelettsystems, wie sie schon beim Wandern oder forciertem Spazierengehen auftreten, reichen schon aus, um die Osteoblasten die Knochen bildenden Zellen anzuregen. Bei Altersosteopenie und Osteoporose ist Golf als verletzungsarme Sportart durchaus empfehlenswert. Die meist zu Fuß regelmäßig zurückgelegten längeren Wegstrecken wirken sich positiv auf die Mineralisierung des Skelettsystems aus.

Golfer Osteoporose

 

Lumbale Spinalkanalstenose (LSS)

Unter lumbaler Spinalkanalstenose verstehtmaneine Einengung des Wirbelkanals im Bereich der Lendenwirbelsäule.

Golf LSS

Die degenerative LSS stellt die weitaus häufigste Stenoseform dar und entwickelt sich aufgrund von Verschleißerscheinungen an den Bandscheiben und Wirbelgelenken. Diese Veränderungen treten meistens erst nach dem 60. Lebensjahr auf. Jeder 10. Mensch ist davon betroffen. Die Symptome bestehen aus Rückenschmerzen, die zum Teil in die Beine ausstrahlen. Anders als bei bandscheibenbedingten Rückenschmerzen bessern sich die Symptome bei leichter Rumpfvorneigung und beim Sitzen. Beim Gehen und aufrechten Stehen werden sie stärker. Bei leichter Rumpfvorneigung flacht sich die Lordose der LWS ab. Dabeiwerden die ineinander geschobenen Wirbelgelenke wieder in ihre Normalstellung gebracht.

Durch die Erweiterung des Wirbelkanals wird auch der Abfluss aus den gestautenVenen gefördert. Zur Besserung ihrer Beschwerden werden die Patienten angehalten täglich ein Sport- und Bewegungsprogramm durchzuführen, was den Wirbelkanal erweitert und die Durchblutung dort fördert (Theodoridis et al 2008). Jede sportliche Betätigung, die sich in leichter Rumpfvorneigung durchführen lässt, ist angebracht. Hierzu zählt vor allem Radfahren, Rudern, Skilanglauf, NordicWalking erfüllen diese Voraussetzung.

Golf Rumpfvorneigung

Auch die Standardhaltung beim Golf mit leichter Rumpfvorneigung ist für Patienten mit lumbaler Spinalkanalstenose geeignet (Krämer et al 2005).

Die Rumpfvorneigung ist bei bandscheibenbedingten Rückenschmerzen eher ungünstig, betrifft aber meist jüngere Menschen. Da die Spinalkanalstenose nur bei älteren Menschen auftritt, ist das Risiko für die Bandscheiben aus den bereits genannten Gründen zu vernachlässigen. Problem ist die begrenzte Wegstrecke bei Patienten mit Spinalkanalstenose. Sie müssen sich zwischendurch immer wieder hinsetzen oder bei längeren Distanzen einen Wagen benutzen. Auch das vorübergehende Tragen einer Flexionsorthese verlängert die Wegstrecke.

 

Rumpforthesen und Golf

Eigentlich behindern Rumpforthesen den Golfspieler bei seinen eingeübten Schlägen, weil sie die Rumpfvorneigung- und Drehung begrenzen. Es gibt aber Sondersituationen bei Wirbelsäulenerkrankungen, bei denen man diese Beeinträchtigung gern in Kauf nimmt, um überhaupt etwas Golf spielen zu können. Das Motto bei allen degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule lautet heute: Aktiv bleiben,weiter so gut es geht den gewohnten Tätigkeiten wie z.B. dem Golfspiel nachgehen, keine Bettruhe, keine Dauerschonhaltung. Neuere kontrollierte Studien haben gezeigt, dass sich Patienten mit akuten und starken Rückenschmerzen eher bessern wenn sie sich weiter bewegen, als wenn sie sich hinlegen und schonen (Wiese et al 2009). Allerdings müssen sie in der Akutphase die Regeln der Rückenschule beachten und bestimmte Schmerz auslösende Haltungen und Bewegungsabläufe meiden. Hier kann eine Rumpforthese Schutz bieten.

Sondersituationen stellen z.B. dar:

  • Rücken- und Beinschmerzen bei Bandscheibenvorwölbungen- und Vorfällen, die konservativ behandelt werden
  • nach Wirbelsäulenoperationen
  • Postdiskotomiesyndrom
  • osteoporotische Fraktur

Bei diesen Wirbelsäulenerkrankungen ist es wichtig, mit der Orthese den betroffenen Wirbelsäulenabschnitt zu überbrücken und durch erhöhten Bauchinnendruck zu entlasten. Bei der Spinalkanalstenose kann man mit einer lumbal flektierenden Orthese das Gehen und Stehen beim Golfspiel erleichtern. Wir haben bei unseren Laufbanduntersuchungen ermittelt, dass sich die Wegstrecken von Patienten mit Spinalkanalstenose bei angelegter Flexionsorthese deutlich verlängern (Theodoridis et al 2008). Unabdingbar ist ein parallel durchgeführtes Training zur Stabilisierung des Rumpfes für ein „Muskelkorsett“, das die Orthese so bald wie möglich ersetzen soll.

Golf Prävention Rücken

 

Literatur zu Golf und Wirbelsäule

  1. Batt, M.: Golfing injuries. Sports Med. (1993),16, 64-71
  2. Boldt, F.Wolf, R.: Sportmedizinische Aspekte des Golfsports. Dtsch. Ärztebl. (2002) 99, 6, B302
  3. Cole, MH., Grimshaw, PN.: Trunk muscle onset and cessation in golfers with and without low back pain. J. Biomech. 2008 Sep 18;41(13):2829-33 Epub 2008 Aug 20.
  4. Finnegan, W.: Reserve swing direction regarding golf and spine. Spine J. 2009 May;9(5):429; author reply 429-30. Epub 2009 Jan 21.
  5. Gluck, GS., Bendo JA., Spivak, JM.: The lumbar spine and low back pain in golf: a literature review of swing biomechanics and injury prevention. Spine J. 2008 Sep-Oct,; 8(5):778-88. Epub 2007 Oct 15.Review.
  6. Herwegen, H., Roeper, A., Liesen, A.: Bewegungsverhalten von Golfern mit Rückenschmerzen. Sportorthop., Sporttraumatol. 20 (2004) 35-38
  7. Hosea, T. (1990) Biomechanical analysis of the golfers back. In: Cochrane AJ. Science and Golf, 43-48. Spon. Chapman and Hell, London
  8. Hosea,T., andC. Gatt (1996): Back pain in golf. Clinics in Sports Medicine 15(1):37-53.
  9. Krämer, J., Wilcke, A., Krämer, R.: Wirbelsäule und Sport. Dtsch. ÄrzteverlagKöln 2005
  10. Krämer, J., Theodoridis, Th.: Rückenschule bei lumbaler Spinalkanalstenose. InWiFo Info Nr.: 1 (2009): Institut für Wirbelsäulenforschung an der Ruhr-Universität Bochum e.V. Website
  11. Lindsay, D. and J. Horton (2002): Comparison of spine motion in elite golfers with and without low back pain. Journal of Sports Sciences and Science and Golf IV 20(8): 77-87
  12. Orthinform(2004): Schöner Golfen, 1, 11
  13. Sugeya, H.: Golf, Back pain and Spinal degeneration. Back Letter (2004), 13, 51-54
  14. Theodoridis, Th., Krämer, J., Kleinert, H.:Konservative Behandlung der lumbalen Spinalkanalstenose eine Übersicht. Z. Orthop. u. Unfallchir. (2008), 146: 75-79
  15. Wiese,M., Krämer, J., Becker, C., Nentwig, V., Theodoridis, Th. Teske,W.: Golf und Wirbelsäule. Z. Orthop. u. Unfallchir. (2009), 147: 194198
  16. Wirth,C. (1999): Orthopädische Probleme beim Golf. Sportorthop. Sporttraumatologie 15(2): 79-81

Bildnachweis: (c) Dr.Robert Krämer

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